Mythos Schwan – Facetten eines sagenumwobenen Vogels

Seit Jahrtausenden haben Schwäne in verschiedenen Kulturen eine besondere Bedeutung und werden oft als Symbol für Eleganz, Reinheit und Schönheit betrachtet. Der Mythos des Schwans als Symbol in der Geschichte hat seinen Ursprung in der griechischen Mythologie und hat sich im Laufe der Zeit in vielen anderen Kulturen und Epochen manifestiert. Einen sehr schönen Überblick bietet das von Dr. Wolfgang Mende herausgegebene Begleitbuch zur Ausstellung.

Die Ausstellung fand von April 2021 bis April 2022 in Graupa statt; das Begleitbuch ist im November 2021 erschienen und steht damit den folgenden Präsentationen, aber auch unabhängig der Ausstellungen als umfassendes Werk zum Thema „Schwan“ zur Verfügung. In neun Kapiteln wird der Schwan und seine Rolle in der Geschichte auf 128 Seiten, mit fantastischem Bildmaterial aufbereitet, vorgestellt.

 

Titel: Mythos Schwan: Facetten eines sagenumwobenen Vogels Taschenbuch – 30. Dezember 2021
Autor: Dr. Wolfgang Mende

Herausgeber: Kultur- und Tourismusgesellschaft Pirna mbH; 1. Edition (30. Dezember 2021)
Sprache: Deutsch
Umfang: 128 Seiten
ISBN-10: 3939027154
ISBN-13: 978-3939027157

Der Schwan als Symbol in der Geschichte

Der Schwan als schicksalhaftes Tier zeigt, wie er mit dem Leben und dem Tod verbunden ist. Er kann sowohl Glück als auch Unglück bringen. Er kann auch die Veränderung und die Transformation symbolisieren. Schon sehr früh sah der Mensch nicht nur irgendein Tier, sondern ein „höheres Wesen“.

In der griechischen Mythologie wurde Zeus, der höchste Gott, in einen Schwan verwandelt, um Leda, die Königin von Sparta, zu verführen. Leda empfing daraufhin zwei Eier, aus denen die Schönheit Helena und die Dioskuren, die Söhne des Zeus, geboren wurden. Dieser Mythos ist ein Beispiel für die Vorstellung des Schwans als Verkörperung von Schönheit und Anmut.

In der Renaissance war der Schwan ein beliebtes Motiv in der Kunst und wurde oft als Symbol für die Jungfräulichkeit und Reinheit dargestellt. In der Kunst wurde der Schwan oft als Begleiter von Göttinnen wie Venus oder als Motiv auf Hochzeitsgeschenken und Hochzeitskleidern verwendet.

In der Literatur hat der Schwan auch eine bedeutende Rolle gespielt. Einer der bekanntesten literarischen Verweise auf den Schwan stammt aus dem Gedicht „Leda und der Schwan“ von W.B. Yeats. Das Gedicht beschreibt die Begegnung von Leda und dem Schwan und hat eine erotische Konnotation.

In der nordischen Mythologie wird der Schwan mit dem Gott Odin in Verbindung gebracht. Es wird gesagt, dass Odin die Fähigkeit hatte, sich in einen Schwan zu verwandeln, um in die Welt der Toten zu gelangen. In anderen nordischen Mythen wird der Schwan als ein Symbol für die Seele betrachtet, die aus dem Körper entweicht und in eine andere Welt fliegt.

Auch in der christlichen Ikonographie hat der Schwan eine Bedeutung. Der Schwan wird als Symbol für die Reinheit und Unschuld von Maria, der Mutter Jesu, verwendet. In einigen Darstellungen ist der Schwan auch mit dem Heiligen Geist verbunden.

In der chinesischen Kultur wird der Schwan ebenfalls als Symbol für Reinheit und Eleganz betrachtet. Der Schwan ist ein häufiges Motiv in der chinesischen Kunst und wird oft mit dem Konzept des Yin und Yang in Verbindung gebracht.

Die Ausstellung und der Katalog erzählen die facettenreiche Kulturgeschichte des Vogels in neun thematischen Stationen.

Der Schwan – ein Mythos in neun Kapitel

 

  1. Der Sänger [Seite 14]

Der Schwan (deutsch: der Töner) wurde Apollon, dem Gott der Musik und der Schönheit zugerechnet. Mit seiner unsterblichen Stimme gilt er als DAS Attribut der Musik und der Schwanengesang steht bis heute sprichwörtlich für den Klangmythos „Euphorisch in den Tod“.

  1. Der Schicksalskünder [Seite 28]

Mit seinen hellseherischen Fähigkeiten steht der Schwan auch für Schicksal, Tod und Transzendenz (vgl. die Redewendung „mir schwant etwas“ [Seite 33]). Allein in Richard Wagners Schwanen-Oper schlechthin „Lohengrin“ steht der Schwan für das Schicksal Elsas.

  1. Der Beseelte [Seite 36]

Die mythischen Schwanenverwandlungen (wieder Lohengrin, aber auch in anderen Mythen, Sagen und Märchen) stehen für die Allbeseeltheit der Natur. In manchen Kulturen ist daher die Jagd und der Verzehr tabuisiert. Hier steht gleich die erste Szene von Wagners Oper „Parsifal“ ist es der Tor, der mit Pfeil und Bogen das größte denkbare Vergehen begangen hat.

  1. Der Göttliche [Seite 46]

Als Mittler zwischen Diesseits und Jenseits hat der Schwan selbst Anteil am Göttlichen. In der Assoziation mit Göttlichkeit, Unsterblichkeit und Jenseitsstreben ist er auch ein christliches Symboltier.

  1. Der Majestätische [Seite 56]

Stolz und majestätisch und mit bewusst aristokratischem Auftreten ist der Schwan seit dem Mittelalter in Wappen und Adelsgenealogien vertreten.

  1. Der Zwielichtige [Seite 68]

Sein Aussehen und Verhalten bieten aber auch positive wie negative Deutungen. In der mittelalterlichen Theologie steht er zunächst für das Heidnisch-sündhafte. Er steckt seinen Hals in schlammige Tiefe und hat unter weißem Gefieder eine dunkle Haut. Dazu gilt er als herrschsüchtig und wird oft mit aggressivem Verhalten dargestellt.

  1. Der Erotische [Seite 78]

Natürlich darf ein Kapitel «Der Erotische» nicht fehlen. Der Schwan war nicht nur ein Attribut Apollons, sondern auch der Liebes-, Schönheits- und Fruchtbarkeitsgöttin Aphrodite bzw. Amor wurden auf einem Schwan reitend dargestellt. Bekannt ist auch der Liebesakt göttlicher Sodomie von Leda mit dem Schwan. Das graziös anmutendes Balzverhalten, bei dem er die Flügel aufplustert und einen wohlchoreographierten Tanz darbietet ist an Schönheit und Geschmeidigkeit kaum zu überbieten. Die romantische Auslegung der Sinnlichkeit eines trauten Schwanenpaares wird durch die meist lebenslange Bindung verstärkt.

  1. Der Freie [Seite 88]

Der Schwan ist nie domestiziert worden und hat dennoch keine Scheu vor dem Menschen. Er fliegt souverän in der Luft mit einer Flügelspannweite von über 2 Metern und einer Geschwindigkeit von über 50 km/h. Er steht für die Befreiung (meist weiblicher Figuren) von patriarchaler Macht und Gewalt.

  1. Der Andere [Seite 98]

So changiert der Schwan zwischen Mensch und Tier, Göttlichem und Menschlichem, Reinheit und Trug, Keuschheit und Wollust. Die männlichen und weiblichen Rollen deuten einen androgynen Charakter an, der auch Projektionsfläche für (sexuelles) Anderssein bietet. Die Schwanenmythen der Antike zeigen ganz klar homoerotische Züge und stehen für die gleichgeschlechtliche Liebe; dazu gehört Kykno, Ganymed, aber auch Hyakinthos – hier steht jedes Jahr im Frühjahr die Hyazinthe für die herrlich duftende Blüte der Schönheit. Im 19. Jahrhundert begann dann ganz langsam die Entdämonisierung des Andersseins; Spuren findet man bei Tschaikowski, Siegfried Wagner und eben Ludwig II.

König Ludwig II. und der Schwan

König Ludwig II. von Bayern hatte eine besondere Faszination für den Schwan. Der Schwan war das Wappentier seiner Vorfahren, den Grafen von Schwangau, die ihre Burg in der Nähe des heutigen Schlosses Neuschwanstein hatten. Der Schwan war auch das Symbol des Schwanenritters Lohengrin, einer Figur aus der mittelalterlichen Gralslegende, die von Richard Wagner in seiner gleichnamigen Oper vertont wurde.

Ludwig II. lernte Wagner am 4. Februar 1861 in der Münchener Hofoper kennen und war restlos begeistert. Er sah sich selbst als einen Nachfolger Lohengrins und identifizierte sich mit dessen tragischem Schicksal. Er beschaffte sich schon früh alle Wagnerschen Musikdramen, die er kriegen konnte und holte den Komponisten von Wien nach München. Er unterstützte Wagner finanziell und künstlerisch und ließ sich von ihm inspirieren für seine eigenen Visionen.

Der Schwan wurde Ludwigs Markenzeichen. Er ließ ihn überall abbilden: auf seinen Möbeln, Geschirren, Briefpapieren und Tagebüchern. Er plante und baute mehrere Schlösser im Stil der Romantik, die an die Welt der Sagen und Märchen erinnerten. Das berühmteste davon ist Neuschwanstein, das er als eine Hommage an Wagner konzipierte. Das Schloss ist voller Anspielungen auf den Schwanenritter.

Ludwig II. wollte sich mit seinen Schlössern eine eigene Traumwelt schaffen, in der er seine Sehnsüchte ausleben konnte. Er zog sich immer mehr aus der Öffentlichkeit zurück und lebte in einer Scheinrealität. Sein exzentrisches Verhalten und sein hoher Schuldenstand führten schließlich zu seiner Entmündigung durch seine Regierung im Jahr 1886. Kurz darauf starb er unter mysteriösen Umständen im Starnberger See zusammen mit seinem Arzt Dr. Gudden. Der Schwan blieb bis zum Ende Ludwigs treuer Begleiter. Er gilt heute als ein Symbol für seine romantische Seele und seinen tragischen Tod.

Zusammenfassend kann man sagen, dass der Mythos des Schwans als Symbol in der Geschichte eine lange und vielfältige Geschichte hat. Der Schwan ist ein Symbol für Schönheit, Anmut, Reinheit und Spiritualität und hat in vielen Kulturen eine wichtige Rolle gespielt. Ob in der Kunst, der Literatur, der Mythologie oder der Religion, der Schwan hat die Vorstellungskraft der Menschen seit Jahrhunderten beflügelt und wird auch in Zukunft eine wichtige Rolle als Symbol spielen. Die Richard-Wagner-Stätten Graupa haben ein wunderbares Werk vollbracht, das sowohl als Buch als auch als multimediales Erlebnis seinesgleichen sucht!

(c) Michael Fuchs, März 2023

Bezugsmöglichkeiten:

Die Bezugsmöglichkeiten für das Buch sind nicht ganz einfach. Bei Amazon ist es zwar gelistet, aber aktuell nicht bestellbar.

Am einfachsten ist eine Bestellung über die

Richard-Wagner-Stätten Graupa [Kontakt]
Tel. 03501 461 965 0
wagnerstaetten@pirna.de

Der Interessent erhält dann eine Rechnung, und nach Zahlungseingang wird das Buch versendet.

Das Buch ist mit ISBN-Nummer auch über den normalen Buchhandel erhältlich. Das Exemplar wird dann im Museum in Graupa abgefordert, was nicht schneller geht als eine Direktbestellung.

Weitere Stationen der Ausstellung (geplant):

Richard-Wagner-Museum Bayreuth, Nov 2022 bis Mrz/Apr 2023
Brüder Grimm-Haus, Steinau an der Straße, Frühjahr 2023
Goethe-Theater, Bad Lauchstädt, Sep bis Nov 2023

Weiterführende Literatur

Bei der Wieden, Brage: Mensch und Schwan. Kulturhistorische Perspektiven zur Wahrnehmung von Tieren, Bielefeld: transcript, 2014.

Eichhorn, Ulrike: „Das Lohengrinhaus in Graupa“, Edition Eichhorn, 2010

Jakob, Michael: „Schwanengefahr“, Das lyrische Ich im Zeichen des Schwans, München/Wien: Carl Hanser, 2000.

Young, Peter: Schwan. Aus dem Englischen von Stephanie Singh, Hildesheim: Gerstenberg, 2011.

Weiterführende Links

Richard-Wagner-Stätten, Graupa

Online-Vernissage zur Ausstellung Mythos Schwan – YouTube

Mythos Schwan – playlist by Gaßmeyer-Förderkreis e.V. Spotify

Illusionen wie Schwanensee

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Autor: mifu

Michael Fuchs * Freier Journalist * Autor und Redakteur bei Ludwigiana.de * Literatur- und Informations-Portal zu König Ludwig II. von Bayern * http://www.michaelfuchs.de * presse@michaelfuchs.de