160 Jahre Märchenkönig

Wer hätte das gedacht? Am 2. Februar vor 160 Jahren nahm das Leben des bayerischen Kronprinzen und künftigen Königs Ludwig II. (1845–1886) eine entscheidende Wendung: An jenem Abend wurde der „Märchenkönig“ geboren, ein Mensch der die Sagen, die Geschichten und die Theaterbühne zum Zentrum seines Lebens machte. Denn tief bewegt sah der fünfzehnjährige Ludwig die ihm bereits aus der Literatur und Kunst vertraute Gestalt des Schwanenritters auf der Bühne Wirklichkeit werden – er sah erstmals die Oper „Lohengrin“ (1850) von Richard Wagner. Dazu schreibt der Ludwig-Biograph Gottfried von Böhm 1924: „Der Kronprinz vergoß darüber Tränen höchsten Entzückens …“

Ludwig als Lohengrin

Ludwig Lohengrin Ansichtskarte 1899 (Sammlung Spangenberg)
Ludwig Lohengrin Ansichtskarte 1899 (Sammlung Spangenberg)

Die anhaltende intensive Vorliebe Ludwigs auch als bayerischer König für die Sagengestalt Lohengrin und die gleichnamige Oper blieb der Öffentlichkeit nicht verborgen. Es kursierten zahlreiche Gerüchte, wie jenes, Ludwig würde sich hin und wieder selbst als Lohengrin verkleiden. So wundert es nicht, dass in der privaten und diplomatischen Korrespondenz nicht selten von „Lohengrin der II.“ oder „König Lohengrin“ die Rede war, wenn es um Ludwig II. ging. Es ist nahezu folgerichtig, dass sich die spätere Ansichtskartenindustrie dankbar dieses Motivs annahm und König Ludwig II. selbst als Lohengrin darstellte.

Verbürgt ist, dass Ludwig im November 1865 „die Scene der Ankunft des Schwanenritters aus Wagners Lohengrin auf dem Alpsee“ bei Hohenschwangau darstellen ließ. In der Schlosschronik von Hohenschwangau heißt es: „Ein großer, kunstreich nach der Natur gebildeter Schwan zog einen Kahn mit Lohengrin (Flügeladjutant Fürst Paul von Thurn und Taxis) … ; der Schwanritter … war mittelst eines elektrischen Lichtes prachtvoll beleuchtet. Während dieses Vorganges spielte die Musik die treffenden Piècen aus Lohengrin. Am nächstfolgenden Abende wurde diese Scene auf Allerhöchsten Befehl Seiner Majestät des Königs wiederholt.“

Posthume Darstellung des Königs als Lohengrin auf Ansichtskarten um 1900

Bilder mit der Darstellung des Lohengrin gab es in diversen Ausführungen an allen Orten, an denen sich Ludwig aufhielt. Lohengrin und sein Symboltier, der Schwan, waren omnipräsent. Besucher von Schloss Neuschwanstein können sich bis heute davon überzeugen.

Ludwig als Schwanenritter Lohengrin - Ansichtskarte - um 1900 (Sammlung Spangenberg)
Ludwig als Schwanenritter Lohengrin – Ansichtskarte – um 1900 (Sammlung Spangenberg)

In „Lohengrin“ „wurzelt die Eiche meiner treuen Liebe zu Ihnen“, offenbarte Ludwig gegenüber Richard Wagner den Ausgangspunkt ihrer Beziehung. Daher wollte er zu dessen 53. Geburtstag im Mai 1866 in München „Lohengrin“ aufführen lassen. Doch der seiner Meinung nach einzig für die Titelpartie geeignete Sänger, Albert Niemann, war unabkömmlich, die Vorstellung unterblieb. Auch 1876 schwärmte Ludwig in Bayreuth vor allem von Niemann als dem „ersten der Sänger und Darsteller“.

Am 13. Juni 1886, dem Todestag Ludwig II., um 19 Uhr, hob sich im Wiener Hof-Operntheater (Staatsoper) der Vorhang für eine Aufführung des „Lohengrin“. Die Titelrolle war mit Albert Niemann besetzt. Ungefähr in jenen Minuten, in denen die Leiche Ludwigs nach den offiziellen Berichten im Starnberger See aufgefunden wurde, sang der vom König auch als „übermenschliche Gestalt“ bezeichnete Tenor: „Mein lieber Schwan! Ach, diese letzte, traur’ge Fahrt, wie gern hätt’ ich sie dir erspart! – … Leb wohl! Mir zürnt der Gral, wenn ich noch bleib!

Marcus Spangenberg, 02.02.2021

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